Die Digitalisierung schreitet auch im juristischen Bereich immer weiter voran und verändert das Berufsbild der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nachhaltig. In Zeiten zunehmender Online-Meetings wird auch im Bereich der Justiz die Nutzung von Bild- und Tonübertragungstechnologie in zivilrechtlichen Verhandlungen immer wichtiger.

Bereits im Januar 2002 fand die gesetzliche Grundlage für eine Videoverhandlung Eingang in die ZPO, die seitdem mehrfach geändert wurde, zuletzt im Jahr 2013. Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung des § 128 a Zivilprozessordnung (ZPO) wieder in den Mittelpunkt gerückt. 

Nach § 128 a ZPO entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen, ob es den Parteien, Anwälten und Zeugen gestattet, an Verhandlungen von einem anderen Ort aus teilzunehmen, wenn eine Partei dies beantragt. Entscheidet das Gericht die Verhandlung per Video durchzuführen, kann jede Partei frei entscheiden, per Video oder persönlich im Gerichtssaal am Gerichtstermin teilzunehmen. An technischem Equipment ist lediglich ein Internetzugang, eine Webcam sowie ein Mikrofon und Lautsprecher notwendig. 

Neben der Beteiligung der Parteien ist aufgrund grundgesetzlicher Vorgaben auch die Öffentlichkeit zu Gerichtsverfahren zuzulassen. Gerichtsverfahren via Video werden daher in den Gerichten über einen Bildschirm im Sitzungssaal des Gerichts in Echtzeit wiedergegeben, so dass die Verhandlung auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist und der Verhandlungsverlauf nachverfolgt werden kann. Die Übertragung wird jedoch nicht aufgezeichnet (§ 128 a Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Die Vorteile digital durchgeführter Gerichtstermine per Video sind insbesondere Kosten- und Zeitersparnis aufgrund wegfallender Reisetätigkeit für alle Prozessbeteiligten. Online-Verhandlungen können flexibler und auch schneller durchgeführt werden und somit laufende Verfahren beschleunigen. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Gerichte nach dem ersten Entfachen des § 128 a ZPO während der Corona-Pandemie die Videoverhandlungen größtenteils wieder scheuen und es vorziehen, vor Ort zu terminieren, wobei die Gründe hierfür oftmals wenig nachvollziehbar sind. Die mangelhafte technische Ausstattung der Gerichte dürfte hier eine maßgebliche Rolle spielen. Von einer Revolution der Justizwelt kann daher noch nicht die Rede sein. 

Dies könnte sich durch den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten ändern. Dieser zielt darauf ab, den Einsatz von Videokonferenztechnologie und damit den § 128 a ZPO zu erweitern. Geplante Änderungen umfassen:

  • Die Gerichte können Videoverhandlungen nicht nur gestatten, sondern auch anordnen, um die Terminierung von mündlichen Verhandlungen zu erleichtern und Verfahren zu beschleunigen. Einspruch gegen die Anordnung ist möglich.
  • Videoverhandlungen sollen in der Regel von den Vorsitzenden angeordnet werden, wenn alle Prozessbeteiligten dies beantragen. Entscheidungen zur Ablehnung von Videoverhandlungsanträgen müssen künftig begründet werden.
  • Videobeweisaufnahmen und Inaugenscheinnahmen können angeordnet werden, wobei Zeugen und Parteien Einspruch erheben können.
  • Die Auslagenpauschale für die Nutzung von Videokonferenztechnologie entfällt.
  • Die Abgabe von Anträgen und Erklärungen per Bild- und Tonübertragung wird ermöglicht.
  • Vorläufige Protokollaufzeichnungen können auch in Bild und Ton erfolgen, und Parteien haben Einsichtsrechte.
  • Modernisierung der Vorschriften zur barrierefreien Nutzung von Videokonferenztechnik für blinde oder sehbehinderte Menschen.
  • Erweiterung des Verfahrens zur Abnahme der Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher per Bild- und Tonübertragung oder an einem anderen Ort.

Dr. Simona Geuer